Ich bin am Meer! Naja, fast. Und ich war es, jetzt ja nicht mehr. Der Titicacasee ist so riesig dass man ihn das Titicacameer nennen sollte. Der See hat einige kleine und grosse Inseln und an vielen Stellen ist das gegenüberliegende Ufer nicht sichtbar. Das lasse ich einfach mal gelten.
Puno
Als ich nach einer langen Nacht im Bus um fünf Uhr in Puno ankam war es saukalt, doch durch den Zaun des Busbahnhofs konnte ich bereits den See und die orange Aura einer bald aufgehenden Sonne erkennen. Ich lief einmal durchs Hauptgebäude, wo bereits so früh morgens die Verkäufer ihre Destinationen anpriesen:
„Arequipa! Arequiparequiparequiiiiiiipaaaaa!“
Dann änderte sich das gekreische in: „Taxi! Hey Señor Taxi! Taxi! Hola?“
Und dann war ich endlich raus. Die Strassen waren noch leer, alles war ruhig. Ich ging der Strasse entlang bis ich um den Busbahnhof herum gehen konnte, wo ein schöner Fussgängerweg direkt entlang des Sees auf mich wartete. Den ging ich entlang bis ich mich auf eines der vielen Bänkchen setzte um auf den Sonnenaufgang zu warten. Ein paar Jogger die so überhaupt nicht wie Jogger aussahen joggten vorbei, sonst war es ruhig.
Als die Sonne aufging wurde mir endlich ein wenig wärmer und bald darauf lief ich in Richtung Stadtzentrum, wo die meisten Hostels stehen. Das erste Hostel auf meiner Liste existierte nicht, beim zweiten ging ich rein. Der Typ der da an der Rezeption rumstand gehörte eher in ein Grab als hinter einen Tresen und als ich ihn fragte ob er einen freien Raum für mich habe antwortete er mit einem so deutlichen „Verpiss dich!“ in der Stimme, dass er mir das vor neun Uhr nicht sagen könne, dass ich halt wieder ging.
Das dritte Hostel existierte ebenfalls nicht und beim vierten und letzten, welches ich auf meiner Karte markiert hatte fand ich dann endlich ein Dorm-Bett. Geht doch.
Den Rest des Tages ruhte ich aus. Ich merkte die zusätzlichen vierhundert Höhenmeter seit Cusco und in der darauffolgenden Nacht schlief ich dreizehn Stunden.
Am nächsten Morgen wollte ich gleich Sillustani, ein paar Ruinen auf einer Halbinsel im viel kleineren, benachbarten See Umayo, besuchen, am besten auf eigene Faust. Der vielleicht achtzehnjährige Typ an dieser Rezeption, der den ganzen vorherigen Tag Animes an seinem Steinzeitcomputer geschaut und noch nie was von Kopfhörern gehört hatte, erklärte mir, wie ich da hin kommen würde.
Ich stellte mich also an den angewiesenen Strassenrand und wartete. Gleich neben mir stand eine freundlich aussehende Frau um die vierzig die hinter ihrem Strassenstand die Vorbeigehenden beobachtete und eine undefinierbare Flüssigkeit verkaufte. Als gefühlte 100 Collectivos vorbeigeflitzt waren von denen keines in gewünschte Richtung fuhr wurde ich ungeduldig und fragte die Frau ob ich denn hier am richtigen Ort wartete. Sie bestätigte mir das und versprach mir, es mir zu sagen sobald sie den Bus sähe.
Nochmal zehn Minuten später bog ein viel grösserer Bus um die Ecke und die Verkäuferin rief mir zu. Dieser also. Ich hielt meinen Arm raus, wie etwa fünf andere Leute auch. Der Bus kam näher und näher, wurde langsamer, fuhr an uns vorbei und bog um die Ecke. Die Verkäuferin zuckte ihre Schultern und wandte sich wieder ihrem Kunden zu, der kurz darauf mit einem Plastik-Säckchen voller Flüssigkeit davonmarschierte.
Ich hatte keinen Bock nochmal zwanzig Minuten zu warten also entschloss ich mich halt doch die Tour zu Buchen, welche am selben Nachmittag nach Sillustani ging. Es war nun aber erst neun Uhr morgens und ein wunderschöner Tag und ich hatte Lust etwas zu unternehmen, also erkletterte ich den Mirador del Condor, einen Aussichtspunkt mit einer riesigen Statue eines Vogels zuoberst. Die Aussicht war atemberaubend und ich konnte sogar auf die Statue hochsteigen.
Sillustani
Am Nachmittag las mich der Minibus beim Hostel auf und ich fühlte mich ziemlich rasch ziemlich fehl am Platz. Die meisten meiner Mitfahrer waren über fünfzig, der Rest machte den Eindruck als wär dies der dritte Tag ihres zwei Wochen Urlaubs. Der Guide kündigte zuerst in Spanisch, dann in Englisch an, was unser heutiges Programm sei und vierzig Minuten später hielt der Minibus auf einem Parkplatz gleich unterhalb von Sillustani.
In Zeitlupe liefen wir zum eigentlichen Eingang von Sillustani, doch zuerst mussten natürlich alle noch aufs Klo. Die Grabstätte liegt auf einem kleinen Hügel und der Guide versicherte allen Anwesenden, dass wir beim besteigen viele Pausen einlegen würden und dass wir bitte in der Gruppe bleiben sollen und die Einheimischen nicht Fotografieren ohne zu fragen und die Alpacas nicht füttern und die Schafe auch nicht und dann ging es los.
Ich hätte die Ruinen wahrscheinlich in zwanzig Minuten gesehen denn so speziell waren sie nicht, doch die Gruppe war so langsam, dass ich regelmässig zehn Minuten warten musste bis sie wieder aufschlossen. Ich nutzte die Zeit allerdings um die tatsächlich wunderschöne umliegende Natur zu bewundern. Der Guide hatte nicht viel cleveres zu berichten, was nicht schon auf den Schildern stand doch die Touris wackelten ihm bedingungslos hinterher.
Ich beobachtete gerade ein paar Locals beim Volleyballspielen als der Rest der Gruppe zum letzten mal aufschloss und wir setzten uns erneut in den Bus der uns zurück nach Puno brachte.
Die uros
Am nächsten Morgen stand ich früh auf um wie angewiesen noch vor sieben Uhr beim Hafen mein Ticket zur Isla Taquile zu buchen. Die Leute dieser kleine Insel etwa 35 Kilometer im See sind bekannt für ihren traditionellen Lifestyle. Um 07:45 Uhr setzte ich mich zusammen mit etwa zwanzig anderen Reisenden aus aller Herren Ländern auf die bequemen Bänke im inneren eines mittelgrossen Schiffs. Zum Glück waren sie bequem, denn die Fahrt dauerte drei Stunden, was bedeutet dass das Schiff pro Stunde durchschnitt vielleicht zehn Kilometer zurücklegte.
Zum Glück hielten wir auf der Hinfahrt noch bei den Uros, einer kleinen indigenen Gruppe von ein paar Hundert Menschen. Sie leben auf dem See, auf ihren 49 fahrbaren, selbstgebastelten Inseln.
Bei einer dieser Inseln schauten wir vorbei und der Präsident der Insel erklärte uns wie sie die Insel aus dem hier beheimateten Schilf bauten, damit nun fünf Familien drauf leben können. Auch die Häuser und der Aussichtsturm waren aus Schilf, Schilf wird auch anstelle von Feuerholz verwendet und sogar gegessen und neben der Insel wartete ein eindrückliches Schilfboot.
Nachdem der Präsident seine Rede gehalten hatte wurden wir an die fünf Frauen der fünf Familien übergeben, die uns allerlei Alpaca-Kram verkaufen wollten. Ich kletterte mit Erlaubnis des Präsidenten auf den gefährlich schrägen Aussichtsturm und beobachtete die Kinder der Familien beim Spielen.
Nach einer Weile ging es zurück aufs Boot wo ich eine Stunde pennte und eine Stunde las, bis wir endlich bei der zweiten Attraktion des Tages ankamen.
Isla Taquile
Die Isla Taquile ist eine kleine, ruhige Insel mit einem kleinen, ruhigen Dörfchen drauf. Die Bevölkerung schien hauptsächlich von der Landwirtschaft und vom Tourismus zu leben, doch ihnen scheint es ganz gut zu gehen. Es gab zwei Häfen, eine kleine Kirche und zwei Sportplätze. Gleich nach unserer Ankunft setzte ich mich von der Gruppe ab um auf eigene Faust zu erkunden. Es ging aufwärts, ziemlich steil sogar, für etwa eine Viertelstunde. Dann kam das Dörfchen in Sicht und schon bald befand ich mich auf dem Hauptplatz, den ich nicht so eindrücklich fand wie alle anderen.
Also schaute ich auf meine Karte und entdeckte, dass es einen kleinen Berg, den höchsten Punkt der Insel zu besteigen gab. Ich lief los und schon fünf Minuten vom Hauptplatz entfernt begegnete mir keine Menschenseele mehr.
Es ging weiter aufwärts, doch nun nicht mehr so steil. Ich folgte einem schmalen Pfad der aussah als könnte er jeden Moment verschwinden. Es war windstill und es gab sowieso nicht viele Bäume die hätten rascheln können und das Ufer des Sees war zu weit entfernt als dass ich das Plätschern des Wassers hätte vernehmen können.
So hörte ich nur meine eigenen Schritte und hie und da das Summen einer Biene bis ich beim Gipfel ankam, wo ein Schrein errichtet war. Dieser war mehr Ruine als Gebäude doch schien halbwegs instand gehalten zu werden.
Von da oben sah ich den Titicacasee, egal in welche Richtung ich schaute. Puno wurde von einer langen Landzunge verdeckt, doch in die andere Richtung konnte ich bis nach Bolivien sehen und in weiter Ferne sogar schneebedeckte Berge ausmachen.
Und es war so friedlich und ruhig da oben, dass ich lange einfach nur da auf einem steinernen Bänkchen sass und die Aussicht genoss.
Als ich schliesslich doch wieder hinunterstieg besuchte ich noch de grösseren der beiden Sportplätze, wo die jungen Frauen mitsamt ihren traditionellen Röcken Volleyball spielten. Auf der anderen Seite wurde Fussball gespielt und eine ganze Horde einheimischer Zuschauer feuerte das eine oder andere Team an.
Da schaute ich auf die Uhr und stellte bedauernd fest, dass ich mich bereits wieder auf den Weg machen musste. Also ging ich zurück zum Hauptplatz und machte mich an den Abstieg auf der anderen Seite der Insel. Unten angekommen wartete bereits mein Rücktransport auf mich. Die Fahrt zurück war lange und Ereignislos und leider war auch gerade noch mein Buch zu Ende. So ein Mist!
Zurück in Puno ass ich zu Abend und trank dazu zum letzten mal ein Inca Kola; Am nächsten Tag würde ich aufbrechen nach Bolivien, wo es das leider nicht gibt oder nur zu Import-Preisen.
Copacabana
„AAAREEEQUIIIIPAAAAA!!“
Zum hundertsten Mal schrie mir das die Tante im Busbahnhof ins Ohr und das in nur zehn Minuten. Ich war beinahe der einzige, doch die Verkäuferin schien nur so zum Spass zu krächzen, oder um mir auf den Sack zu gehen, wer weiss.
Kurz bevor ich einen Tinitus bekam war es endlich Zeit zum Bus zu gehen und nachdem der Typ, der sich anhörte als hätte er einen Joint zu viel geraucht uns erklärt hatte wie wir die Immigrationspapiere auszufüllen hätten ging es los.
Die gut dreistündige Fahrt führte entlang des Titicacasees und die umliegende Natur war so atemberaubend wie die in Sillustani. In Puno hatte ich einen Typen kennengelernt, der den Kontinenten per Fahrrad bereiste. Das wäre mir zu anstrengend, doch nun beneidete ich ihn.
Bald kamen wir zur Grenze. Den Typen da war sowas von egal dass das kleine Zettelchen, welches man mir bei der Einreise nach Peru in die Hand gedrückt hatte aussah als hätte ein Alpaca drauf rumgekaut; Der Stempel mit dem Ausreisedatum war unlesbar, die Ränder zerfleddert und wo ich das unglückliche Stück Elend gefaltet hatte fiel es beinahe auseinander.
Zurück im Bus dauerte die Fahrt nur noch zwanzig Minuten, dann waren wir endlich am Ziel: In Copacabana. Die Sonne ging gerade unter als ich bei meinem Hostel eintraf. Ich hatte erfolglos nach einem guten Hostel mit einem Dorm gesucht, doch bald festgetellt dass die in dem 5000-Seelen-Dörfchen nicht sehr verbreitet sind. Doch wen scherts wenn ein Privatzimmer für unter fünf Franken zu haben ist? Willkommen in Bolivien!
Obwohl es in dem Örtchen mehr als zwanzig Restaurants gab war das Menu überall dasselbe und das Essen ziemlich erbärmlich. Nicht so „Ich kenne das Essen nicht und es sieht so komisch aus“-erbärmlich sondern „Tiefkühlpizza, Burger und Tacos womit du deinen Hund vergiften könntest“-erbärmlich. Dafür hatte das Dorf eine Kathedrale, die es mit der von Cusco aufnehmen könnte. Keine Ahnung wieso ein so kleiner Ort eine so überdimensionale Kirche braucht.
Die nächsten paar Tage arbeitete ich, ohne viel zu unternehmen und schloss mein erstes grosses Projekt ab, das heisst, jetzt ist erstmal wieder Reisen angesagt.
Eines schönen Nachmittags entschloss ich mich den nahen Cerro Calvario zu besteigen. Auf dem Weg nach oben sind viele Schreine errichtet worden, ich glaube das ist ein Pilgerweg oder sowas. Von unten sah der gar nicht so hoch aus, doch ich brauchte dann doch ziemlich lange um ganz hoch zu steigen.
Der Hügel war leider ziemlich dreckig und zugemüllt, doch es lohnt sich trotzdem. Zu oberst standen dann auch nochmal einige Kreuze und Händler verkauften allerlei Krimskrams, doch ich war wegen der Aussicht hier.
Isla del Sol
Am nächsten Tag besuchte ich die eine Attraktion, wofür alle nach Copacabana kommen. Die autofreie Isla del Sol ist viel grösser als die Isla Taquile auf der Peruanischen Seite des Titicacasees und der Anstrom von Touristen dementsprechend auch. Leider bedeutete ein grösseres Schiff nicht ein schnelleres Schiff und so dauerte es wieder mehr als zwei Stunden bis wir bei der Insel ankamen.
Die Idee war vom Hafen auf der einen Seite bis zum Hafen auf der anderen Seite der Insel zu laufen, eine Wanderung von vielleicht drei Stunden. Nachdem der grösste Teil der Ankommenden von einem Guide absorbiert wurden folgte ich den wenigen, die die Insel wie ich selber erkunden wollten. Der gut ausgebaute Weg führte durchs Ankunftsdörfchen und bald schon aufwärts durch einen kleinen Wald. Nach einer Weile wurde der Pfad schmaler und führte über die gelblichen Wiesen der Insel.
Irgendwann mündete der Pfad in einen viel breiteren Weg auf dem Kamm der hügeligen Insel, welchem ich dann folgte und so auch in die andere Richtung blicken konnte.
Irgendwann sah ich ein Schild vor mir auftauchen: „Boleteria“. Die wollten 15 Bolivianos (2.10 CHF). Davon hatte ich gehört und ich zahlte widerstandslos. Ich lief weiter. Zehn Minuten weiter kam ich wieder zu einem Schild: „Boleteria“. „Ach“, dachte ich mir, „der will sicher nur mein Ticket sehen, das hab ich ja gerade gekauft“. Der alte Mann der einsam neben dem Schild hockte sprang auf sobald er mich kommen sah und fuchtelte mit seinem Stock herum. „Ticket, ticket Señor“.
Ich beruhigte ihn und holte mein Ticket hervor. „No Señor, otro ticket, no es el mismo!“ Es stellte sich heraus, dass der nochmal fünf Bolivianos wollte und auf die Frage, wofür ich denn gerade die fünfzehn gezahlt hatte wiederholte er nur „No no, no es el mismo, 5 Bolivianos!“
Ich hätte dem alten Sack am liebsten den Stock weggekickt, auf welchen er sich nun wieder stützte, doch schlussendlich sinds 70 Rappen, also drückte ich ihm die 5 Bolivianos einfach in die Hand und ging weiter.
Kurz darauf erreichte ich Yumani. Wie das Örtchen, wo ich am Morgen aufgebrochen war gab es auch hier nicht viel spezielles. Von da aus fuhr dann auch mein Zeitlupenschiff zurück nach Copacabana.
Fazit
Also wenn du dich entscheiden musst zwischen der Peruanischen und der Bolivischen Seite des Titicacasees würde ich definitiv die Peruanische Seite empfehlen. Die Isla del Sol ist zwar ganz nett aber ich fand die Isla Taquile viel schöner und vor allem konnte man da das Lebend der Einheimischen beobachten während isla del Sol grösstenteils ausgestorben schien. Ausserdem fand ich Puno schöner als Copacabana. Auf der anderen Seite ist Copacabana natürlich um einiges günstiger.
Aber am besten gehst du selber hin, auf beide Seiten und entscheidest dann selbst wo es dir besser gefallen hat 🙂
Galerie zur Peruanischen Seite (Puno, Sillustani, Uros, Isla Taquile)
Galerie zur Bolivianischen Seite (Copacabana, Isla del Sol)