Eine aussergewöhnlich hohe, weisse Stupa steht mitten auf einer grünen Wiese. Ein Weg führt daran vorbei, zu einem See und darum herum. In den Bäumen sitzen Vögel die fröhlich vor sich hin zwitschern, in der Ferne ist Gelächter von spielenden Kindern zu hören, vielleicht ist nebenan eine Schule?
Doch der Eindruck täuscht. Dieser Ort ist alles andere als friedlich. Geht man ein paar Schritte näher an die Stupa heran erkennt man durch die hohen Fenster was sich darin befindet: Schädel. Tausende.
Achtung: Dieser Beitrag ist nichts für weiche Gemüter. Wenn du gerade am Essen bist oder leicht aus der Fassung zu bringen bist solltest du diesen Beitrag vielleicht besser überspringen.
Was ist hier passiert?
Kambodscha konnte sich lange aus dem Vietnamkrieg heraushalten, da die Nordvietnamesen jedoch Gebiete Kambodschas als Transportweg und als Rückzugsort verwendeten wurden die USA, Unterstützer Südvietnams auf Kambodscha aufmerksam. 1970 wurde unter Mithilfe der USA durch einen Putsch ein neuer Herrscher an die Spitze Kambodschas gesetzt: Lon Nol. Der alte Herrscher, Norodom Sihanouk, flüchtete ins Exil nach China.
In den folgenden fünf Jahren versuchten die USA Kambodscha von den Nordvietnamesen zu säubern, was massenhaft Bombardierungen veranlasste.
Logischerweise gefiel das den einheimischen Kambodschanern, die ebenfalls unter den Bombardierungen litten, überhaupt nicht. Die kommunistischen Roten Khmer, offiziell vom verbannten Norodom Sihanouk angeführt wurden durch die Geschehnisse gestärkt und und breiteten sich aus. Sie versprachen der leidenden Landbevölkerung Gleichheit, Wohlstand und ein einfaches, friedliches Leben.
1975 wurden langsam immer mehr Amerikanische Truppe aus Vietnam abgezogen. Am 1. Mai 1975 nahen die Nordvietnamesen Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon) ein, damit war der zwanzigjährige Vietnamkrieg offiziell beendet.
Die Roten Khmer, die auf der Seite der Gewinner standen hatten nun eine so grosse Macht dass sie die Regierung von Lon Nol stürzen konnten. Am 17. April 1975 nahmen sie Phnom Penh ein. Das Durchschnittsalter der „Soldaten“ der Roten Khmer zu diesem Zeitpunkt betrug 13 Jahre. Die meisten Bewohner der Stadt begrüssten sie jubelnd. Sie dachten Norodom Sihanouk würde für ein Ende der Kämpfe und des Leids sorgen und die gespaltene Land- und Stadtbevölkerung versöhnen.
Norodom Sihanouk gefiel der neue Kurs der Roten Khmer nicht, die während nur drei Tagen Phnom Penh und auch die anderen Städte Kambodschas gewaltsam entvölkert hatten. So wurde er bald als Staatsoberhaupt abgesetzt. An seine Stelle trat eine neue Regierung, an der auch Pol Pot, der „Bruder Nr. 1“ massgeblich beteiligt war.
Diese glaubte der Grund für die Armut Kambodschas sei der Unterschied zwischen Stadt und Land. Er glaubte die Bauern stärken und alles städtische zerstören zu müssen um eine neue, friedliche und wohlhabende Welt schaffen zu können, die sich nur auf die Erfüllung der Grundbedürfnisse konzentrierte.
Die vertriebene Stadtbevölkerung wurde auf sogenannten „kollektiven Bauernhöfen“ zusammengetrieben, die jedoch nichts anderes waren als Zwangsarbeitslager. Bereits auf dem Weg dorthin starben Tausende. Die neue Regierung befahl sofort die gesamte Reisproduktion zu verdreifachen, ein unmögliches Ziel. Die Leiter dieser „Bauernhöfe“ fürchteten die Konsequenzen, falls sie dies und andere Ziele nicht erreichen konnten, so zwangen sie die Stadtbevölkerung, die natürlich keinerlei Erfahrung hatte im Bereich Landwirtschft, zu pausenloser Arbeit. Nahrung bekamen die Arbeiter nur sehr wenig. So starben viele an Überarbeitung und Unterernährung.
Schulen, Krankenhäuser, Banken, Klöster, Moscheen wurden geschlossen oder zerstört, Religion wurde verboten, Geld abgeschafft, jegliches Wissen zerstört. Lehrer, Händler, Mönche, einfach alle die mehr wussten oder konnten als einfache Bauern wurden hingerichtet. Wer lesen konnte, wer eine Fremdsprache beherrschte, wer im Verdacht war mit Ausländern zu verkehren oder einfach nur eine Brille trug wurde mitsamt der Familie abgeführt, gefoltert und getötet.
Dies geschah auf über dreihundert Killing Fields in ganz Kambodscha. Eines dieser Killing Fields, in Choeung Ek habe ich besucht. Siehst du die Mulden auf dem Bild oben? Sie waren einst bis zu fünf Meter tief und dienten als Massengräber. Zum Höhepunkt der Macht der Roten Khmer wurden hier bis zu dreihundert Leute pro Tag ermordet. Da Munition zu wertvoll war wurden oft andere Methoden verwendet. Ich will hier wirklich nicht ins Detail gehen was da geschehen ist, ich glaube die Bilder sagen genug.
Während den nur knapp vier Jahren, in denen die Roten Khmer an der Macht waren starben etwa zwei Millionen Menschen. Zwei von sieben Millionen Kambodschanern.
Die Stupa wurde erst nachträglich errichtet. Sie beinhaltet alle grösseren Gebeine der gefundenen Toten. Bis heute kommen, vor allem in der Regenzeit, immer wieder Kleidungsstücke, Zähne und Knochen auf den Feldern zum Vorschein.
Ich habe auch das Tuol-Sleng-Genozid-Museum besucht. In den ehemaligen Schulgebäuden (und in zahlreichen weiteren Gefängnissen in Kambodsch) wurden die Inhaftierten gefangen gehalten, gefoltert und zu Geständnissen gezwungen bevor sie auf die Killing Fields gebracht wurden. Von jedem Gefangenen wurde vor der Folterung ein Bild gemacht. Ganze Räume sind voll von diesen Bildern, alle schauen sie mich an, wie Geister, es sind Tausende.
Nur sieben haben überlebt. Das Museum erzählt auch ihre Geschichten, die sich alle ähneln. Die meisten von ihnen haben überlebt weil sie etwas konnten was die Roten Khmer brauchten: Ein Maler, der Bilder von Pol Pot malen sollte, ein Bildhauer mit ähnlichen Aufgaben, zwei Mechaniker…
Ich habe hier versucht die traurige Geschichte so einfach zusammenzufassen wie möglich. Wenn du an der Geschichte Kambodschas interessiert bist sind die Wikipedia-Links, die ich im gesamten Beitrag eingefügt he eine gute (wenn auch traurige, makabere) Lektüre. Diese Links habe ich auch als Informationsquellen für diesen Beitrag benutzt.
Phnom Penh heute
Von dem einstigen Gräueln ist heute in Phnom Penh nicht mehr viel zu spüren. Phnom Penh ist grösstenteils hässlich und laut, doch wenn du ein paar Tage in der Stadt bleibst kannst du zum Beispiel entlang des Flusses frühere französische Einflüsse erkennen.
Auch der Königspalast ist einen Besuch wert. Dieser dient dem aktuellen König, Norodom Sihamoni, dem ältesten Sohn von Norodom Sihanouk, immer noch als Residenz.
Nicht weit davon entfernt steht das Independence Monument, welches die Unabhängigkeit von den Franzosen kennzeichnet. Aber das ist wieder eine andere Geschichte, die vor den Roten Khmer spielte. Gestern, am 09. November, war Unabhängigkeitstag. Morgens gab es eine nicht öffentliche Zeremonie, Abends ein Feuerwerk.
Flickr lasse ich dieses mal weg. Ich glaub nicht dass der Satz „Wenn du noch mehr Bilder sehen willst…“ dieses mal zieht…
1 Kommentar
Hallo Stefan
Dann schaust du wohl mit dem Fahrrad Ankor Wat und die anderen Tempel an.
Und Abens Partis in Siem Reap!
Kambotscha war früher fast ganzflächig über Wasserwege ereichbar.
Ich war ua. auf der Streke Siem Reap nach Battambang 1 Tag über den See und Fluss.
Grüsse Bruno