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Saigon – Die Stadt mit zwei Gesichtern

Als ich bemerkte, dass auf der Strasse mindestens zehnmal so viele Roller unterwegs waren wie Autos wusste ich, dass ich in Vietnam angekommen war. Die Einwohnerzahl von Saigon beträgt ca. 7.1 Millionen, der Tourguide bei den Cu Chi Tunneln erzählte mir in Saigon gäbe es rund 6.5 Millionen Roller. Das glaube ich gerne denn der Verkehr hier ist Wahnsinn!

Verkehr in Saigon

Verkehr in Saigon

Wenn man sich bei dem Durcheinander erstmal über die sechsspurige Strasse traut und ein wenig herumläuft findet man einige interessante Sehenswürdigkeiten. Der Fokus hierbei liegt natürlich auf dem langen Vietnamkrieg der vor vierzig Jahren.

Kriegsopfermuseum

Rund um das Museum sind einige Panzer, Flugzeuge und Helikopter aufgestellt.

Eines der ausgestellten Flugzeuge

Eines der ausgestellten Flugzeuge

In einem kleinen Gefängnis wird gezeigt wie Häftlinge im Krieg hier behandelt wurden, was mich stark an das Tuol-Sleng-Genozid-Museum in Phnom Penh erinnert. Im Hauptgebäude des Museums wird dann von A bis Z die ganze Geschichte des Vietnamkriegs erzählt: Wie die Vietnamesen sich gegen die französischen Kolonialherren auflehnten, wie der Krieg ausbrach, wie sich die Amerikaner einmischten und wie Frankreich die Truppen abzog. Amerika führte den Krieg dann trotzdem weiter und beging im Verlauf von zwanzig langen Jahren unzählige Kriegsverbrechen: Von Folter und Abschlachtungen über den Einsatz von Herbiziden (Agent Orange) bis hin zu Genozid.

Ein weltbekanntes Foto von Nick Út

Ein weltbekanntes Foto von Nick Út

Das Museum erzählt auch die Folgen dieser Kriegsführung auf der ganzen Welt: Wie sich die amerikanische Bevölkerung und die Leute überall auf der Welt gegen die US-Regierung auflehnten und gegen eine Weiterführung des Vietnamkriegs protestierten.

Tunnel von Cu Chi

Wenn du klaustrophobisch bist solltest du dich besser von den Tunneln von Cu Chi fernhalten. In diesem  Netzwerk verwinkelter Gänge hielten sich die Vietkong über Jahre hinweg versteckt um regelmässig das nur fünf Kilometer entfernte Hauptquartier der Amerikaner zu attackieren. Das Netzwerk, welches sich einst über 200km auf drei Ebenen erstreckte beherbergte eine ganze Kleinstadt mit Schulen, Lazaretten, Büros und Küchen. Die exzellent getarnte Einrichtung war geschützt durch (selbst für diese Zeit) altmodische aber sehr effektive Fallen wie etwa Falltüren.

Eine der Fallen

Eine der Fallen

Die Tatsache, dass sich die Bewohner dieses Tunnelsystems jahrelang direkt vor der Nase der Feinde versteckt halten konnten zeugt von ihrem Einfallsreichtum im Bezug auf Tarnung und Guerillakriegsführung.

Durch einen der Tunnel, rund 100 Meter lang, konnte man sich durchquetschen. Heute kann man durch eine kurze Treppe einsteigen, in Kriegszeiten gab es nur ein winziges, quadratisches Loch im Boden, oft geschützt durch eine Landmine.

Einstiegsloch zum Tunnelsystem

Einstiegsloch zum Tunnelsystem

Die Tunnel wurden bewusst so angelegt, da die Vietnamesen generell kleiner und schlanker waren als der durchschnittliche amerikanische Soldat und sich somit leichter fortbewegen konnten als letztere. „Leicht“ relativ verstehen bitte. Ich habe ja eher die Statur eines Vietnamesen als die eines Soldaten und trotzdem war es verflucht eng da drin.

Wiedervereinigungspalast

Hier war dann schliesslich alles zu Ende: Am 30. April 1975 um 11:30 Uhr nahmen die Nordvietnamesen den Palast im Zentrum Saigons ohne Widerstand ein.

Der Wiedervereinigungspalast

Der Wiedervereinigungspalast

Heute kann man den Präsidentenpalast (umbenannt in „Wiedervereinigungspalast“) besichtigen. Im weitläufigen Garten stehen noch ein paar Panzer und ein Kampfjet. Der eigentliche Palast ist von aussen eindrücklicher als von innen: Es gibt einen paar verstaubte Konferenzsäle zu bestaunen, doch das wars. Das wirklich eindrückliche ist die Geschichte dahinter, zu wissen, was hier alles passiert ist und welche Entscheidungen hier getroffen wurden.

Das neue Gesicht

Heute ist ausserhalb der Museen und Attraktionen nicht mehr viel vom Krieg zu spüren. Kurz nach dem Ende des Kriegs wurde Saigon in Ho-Chi-Minh-City umbenannt nach dem Präsidenten des damaligen Nordvietnams, faktisch werden aber beide Namen etwa gleich oft verwendet.

Ho-Chi-Minh / Saigon

Ho-Chi-Minh / Saigon

In der Stadt gibt es viele kleine Parks, Busse schlängeln sich langsam durch den faszinierenden Verkehr, ein U-Bahn-System befindet sich zur Zeit im Bau. Saigon ist laut, chaotisch und authentisch. Saigon ist so wie ich mir jede asiatische Grossstadt vorstellte, bevor ich mit dem Reisen begann. Und ausgesprochen günstig ist es hier auch: Bier gibt es hier für dreissig Rappen pro Flasche, eine Nudelsuppe oder einen Döner für einen Franken.

Notre Dame in Saigon

Notre Dame in Saigon

Die Leute sind freundlich und hilfsbereit, es gibt keine Tuk-Tuk-Fahrer und auch sonst keine Affen. Erfrischend ist auch die Abwesenheit von religiösen Bauten und Einrichtungen: Es gibt zwar ein paar Kirchen, diese sind jedoch allesamt aus französischen Kolonialzeit. Über 80% der Vietnamesen sind Atheisten.

Wie praktisch jedesmal gibt es auch heute weitere Bilder auf Flickr zu bestaunen.

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