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Das Buochserhorn im Nebel

Ich sitze neben meinem Vater im Auto, während wir in Stans Richtung Engelberg abbiegen. „Siehst du nicht den Nebel da oben?“, fragt er gerade, „Der wird noch für Stunden da sein, du wirst gar nichts sehen von da oben!“

„Ach was, in einer Stunde ist der Nebel verschwunden“, antworte ich. Ich weiss genau, dass es bei unserem Gespräch nicht um den Nebel geht, sondern um den Ausflug als Ganzes.

Das Buochserhorn im Nebel

Das Buochserhorn im Nebel

Eigentlich wollte ich schon vor zwei Jahren mal alleine Wandern gehen, doch meine Eltern haben es mir immer verboten. „Das ist gefährlich“, sagten sie immer, „Was, wenn du dich verläufst oder dich verletzt?“ Sie realisierten nicht, dass es auf den Wanderwegen oft von Wanderern nur so wimmelt. Eigentlich komisch, da wir früher auch ab und zu wandern gingen.

„Mit so Nebel ist nicht zu spassen, das kann ganz schön gefährlich werden!“, versucht es mein Vater nochmal während er auf einen grossen Parkplatz einbiegt.

„Es ist ja nicht so, dass ich jemanden verlieren könnte. Ich komme schon heil wieder runter“, versichere ich meinem Vater und steige aus. Wir sind da: Dallenwil Talstation.

Ich verabschiede mich von meinem Vater und gehe die kurze Treppe zur Seilbahnstation hoch. Ein Herr um die fünfzig steht am Schalter und händigt gerade zwei Tickets an ein älteres Pärchen aus. Ich gehe auf ihn zu und frage nach einem Ticket.

Mir hats gefallen!

Mir hats gefallen!

„Einfach oder zurück?“

„Einfach.“

„Halbtax?“

„Ja.“, antworte ich und zerre das Kärtchen hervor.

„Einheimisch? Von Nidwalden?“

„Nein, Luzerner“, antworte ich und frage mich sofort wieso ich nicht gelogen habe.

„Das macht dann CHF 5.20“

Ich gebe ihm das Geld und erhalte das Ticket.

„Du kannst auch noch einsteigen, dann geht es los“

Ich quetsche mich zwischen die rund zwanzig anderen Fahrgäste, dann schliesst sich die Tür und die Seilbahn setzt sich in Bewegung.

Wegweiser in Niederrickenbach

Wegweiser in Niederrickenbach

Oben angekommen studiere ich den Wanderwegweiser: „Brisen, 3h 55min.“, steht da, da war ich schon zweimal, ist aber heute nicht mein Ziel. Ich lese weiter: „Buochserhorn, 2h 5min.“ Da will ich hin. Ich folge dem angegebenen Weg, den anderen Wanderern hinterher, die sich nach und nach verteilen. Zuerst einer schmalen, asphaltierten Strasse nach durch das 100-Seelen-Dörfchen, dann über einen Kiesweg an mehreren Bauernhöfen vorbei. Irgendwann habe ich alle anderen Wanderer hinter mir gelassen und ich bin alleine. Es ist ganz ruhig, nur das Zwitschern der Vögel und das Klingeln der Kuhglocken sind noch zu hören. Ich schaue den nach oben, wo sich der Wanderweg immer weiter den Berg hinaufschlängelt und sich irgendwann im Nebel verliert.

Muuuh!

Muuuh!

Richtig. Der Nebel. Ich gehe weiter während der Nebel um mich herum immer dichter wird, bis ich irgendwann keine zwanzig Meter weit mehr sehe. Es ist merklich kälter geworden, doch ich schwitze wegen dem steilen Anstieg. Mittlerweile ist kein Weg mehr vorhanden, der diese Bezeichnung verdient hätte; Die Wegweiser zeigen einfach auf steile Wiesen zu, die es dann zu erklimmen gilt. Irgendwo sehe ich noch Schnee, für mich wohl der letzte für eine Weile…

Nach zwei Stunden komme ich auf der Spitze des Buochserhorns an. Ich habe Glück, der Nebel tut sich gerade ein bisschen auf, doch fünf Minuten später sehe ich wieder nur weiss. Ich esse gerade meinen Landjäger als sieben Wanderer um die sechzig ankommen und sich gegenseitig beglückwünschen. Dann versammeln sie sich um eine Bank und machen ein Gruppenfoto. Natürlich sollen alle drauf, deshalb muss der Timer konfiguriert werden, was nicht auf Anhieb klappt. Das Ganze wird dann noch sechsmal mit den anderen sechs Fotoapparaten wiederholt, es wollen ja schliesslich alle ein Erinnerungsbild.

Der Bürgenstock vom Buochserhorn aus

Der Bürgenstock vom Buochserhorn aus

Nach dem Mittagessen studiere ich erneut die Wegweiser auf dem Gipfel. Es gibt zwei davon: Einer deutet nach Osten, der andere nach Westen. Auf beiden steht „Buochs“, wo ich hin will. Ich entscheide mich dann für den östlichen weg, weil ich von Westen her gekommen bin. Zehn Minuten später stehe ich erneut vor einem Wegweiser. „Beckenried“ steht auf dem Schild, welches nach Norden deutet, „Niederrickenbach“ auf dem südlichen. Buochs ist nicht angeschrieben. Beckenried trifft es eher, entscheide ich und wähle diesen Weg.

Dieser Weg ist so matschig, dass ich mir irgendwann die Schuhe am Gras abputzen muss, damit ich nicht ein halbes Kilo Dreck mit mir rumschleppe. Aber das bringt nicht viel, denn keine zehn Meter weiter trete ich gezwungenermassen in den nächsten Matsch. Je weiter ich nach unten steige, desto mehr lichtet sich der Nebel.

Blick zurück

Blick zurück

Der Wanderweg führt über weite Wiesen und an kleinen, verlassenen Alphütten vorbei, dann durch einen Wald und schliesslich an einem breiten Bach entlang. Irgendwann komme ich an einem Bauernhof vorbei, wo eine alte Frau friedlich der Gartenarbeit nachgeht. Erst da fällt mir auf, dass ich seit dem Gipfel keine Menschenseele mehr gesehen habe.

Später begegne ich noch zwei Lamas, die angezottelt kommen und mich anstarren als wäre ich eine Sehenswürdigkeit. Ich mache einen kleinen Bogen um sie, ich will ja nicht angespuckt werden.

Ob die Lamas so weit spucken?

Ob die Lamas so weit spucken?

„Buochs“ ist jetzt nirgends mehr angeschrieben, überall steht nur noch „Beckenried“ also lande ich schlussendlich in Beckenried, wo mich mein Vater freundlicherweise abholt.

Gute fünf Stunden war ich unterwegs und ich kann die Wanderung jedem empfehlen, trotz Nebel. Wer aber das erste Mal aufs Buochserhorn steigt, sollte sich einen schöneren Tag aussuchen als ich.

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